Kirwa-G'schichten

Scho gwusst?
Wie bundesweite Medien die Kirwa sehen - Ein dpa-Bericht
Unter dem Titel "Betteltanz und Kirchta-Singen - allerlei Brauchtum zum Kirchweihfest" veröffentlichten die beiden Korrespondenten der Deutschen Presse Agentur, Günter Bitala und Paul Winterer,am 12. Oktober 2005 einen Bericht über das Kirchweih-Brauchtum in Bayern - der leider nur beschränkt gültig ist. Denn beschrieben wird allenfalls ein kleiner Ausschnitt des Kirchweih-Brauchtums und abgestellt wird auf das typische (ober)bayerische Klischee:
"München (dpa)In den ländlichen Regionen Bayerns freuen sich
die Menschen auf das Kirchweihfest, das an diesem Wochenende mit allerlei Brauchtum gefeiert wird. Auch wenn immer mehr Geschäftsleute entgegen der Tradition ihre Läden am Montagnachmittag geöffnet lassen, so beschert das kirchliche Fest dennoch vielen Landbewohnern nach wie vor einen halben freien Tag.
Zumindest die Rathäuser schließen an jenem Tag mittags, Handwerksbetriebe geben ihren Mitarbeitern frei. Es ist das
Relikt jenes alten Brauchs, wonach die Bauern den Kirchweihmontag größtenteils im Wirtshaus verbrachten und nicht selten einen gehörigen Rausch mit nach Hause brachten.
Lange Zeit feierte jede Pfarrei den Weihetag ihrer Kirche individuell, erst später wurde ein einheitlicher Sonntag jeweils im Oktober bestimmt. Zum Kirchweih-Brauchtum gehört neben dem Gottesdienstbesuch am Sonntag ein festliches Essen im Kreis der Familie. Auch heute hält es sich noch manche Hausfrau zu Gute, an jenem Tag eine gut gemästete Kirchweihgans samt Knödel und Blaukraut zu servieren.
Zum Kaffee gehören die aus Hefeteig gebackenen Schmalznudeln, ehe es abends zum Kirchweihtanz geht. Die Kinder freuen sich derweil an der „Kirta-Hutschn“, ein in der Scheune an Ketten aufgehängtes langes Brett, auf dem sie nach Herzenslust schaukeln können.
In einigen Dörfern haben sich noch spezielle Kirchweih-Bräuche gehalten. So treffen sich traditionell jedes Jahr am Kirchweihmontag die ledigen Männer und Frauen in Raisting nördlich von Weilheim zum Betteltanz. Schon in den Wochen zuvor bitten die „Ruatnbuam“ Mädchen, sich für diesen einen Tag mit den Mitgliedern des örtlichen Burschenvereins verkuppeln lassen.
„Die Burschen kommen aus unserem Dorf. Die Mädchen dürfen auch von weiter her stammen“, erläutert Stefan Höck, einer der „Ruatnbuam“. Kurz vor dem Festtag stellen die
„Ruatnbuam“ die Paare zusammen. Am Montagmittag kommen alle Mädchen zusammen. Von den „Ruatnbuam“ und der Blasmusik begleitet, ziehen sie zum Wirtshaus. Dort bringen die
„Ruatnbuam“ jedes Mädchen einzeln zu den Junggesellen. Die verkuppelten Paare bleiben bis zum Abend zusammen. In den vergangenen Jahren soll es in Raisting sogar Hochzeiten gegeben haben, deren Partner sich während des Betteltanzes kennen lernten.
Schon am Samstagabend ziehen die Burschen des Unterammergauer Trachtenvereines durch den Ort und mahnen: „Gebt acht aufs Feuer“, anschließend wünschen sie: „Hollts guat Kirchta“. Das Kirchta-Singen erinnert an zwei Brände, die einst große Teile des Dorfes zerstörten. 1777 vernichtete ein Feuer 63 Häuser, 1836 fielen 41 Wohnhäuser den Flammen zum Opfer. Ausgelöst wurden die Brände der Überlieferung zufolge von unachtsamen Bäuerinnen, die am offenen Feuer Schmalznudeln buken und denen dabei das siedende Fett überschwappte.
Wahrscheinlich hat die Tradition des Kirchta-Singens ihren Ursprung aber bei den Bettelkindern, die an bestimmten Tagen - Kirchweih, Allerseelen (2. November), den Donnerstagen vor Weihnachten und dem Dreikönigstag - von Hof zu Hof zogen, um sich Nahrung und warme Kleidung zu erbitten. In Unterammergau ist überliefert, dass in den Jahrzehnten nach diesen Bränden ein Nachtwächter durch die Straßen ging und sang: „Merkt auf ihr Herrn und lasst euch sagen, der Hammer, der hat acht Uhr geschlagen“. Seit 1932 gibt es das Kirchta-Singen in der heutigen Form.
Punkt 20.00 Uhr beginnt der Nachtwächter den Wechselgesang, in den zwei Dutzend Männer einstimmen. Der Umzug startet an einem der 1836 abgebrannten Häuser. Danach wird das Lied an acht weiteren Anwesen wiederholt. Die Sänger bilden einen Kreis um ein Hinterglasbild, das eine Dorfansicht mit dem Hl. Florian zeigt.
Dazugehörender Hintergrund
Stichwort: Kirchweih
Das Kirchweihfest geht auf den Weihetag eines Gotteshauses zurück. In aller Regel vollzieht diese Weihe zumindest
in der katholischen Kirche der Ortsbischof. Dabei besprengt er in einem feierlichen Umgang die Wände der neuen Kirche und wäscht bzw. salbt die Mauern ebenso wie das Portal und den Altar. In den Altar fügt er eine Reliquie ein und hält die erste Eucharistiefeier. Kirchweih erinnert an diesen Weiheakt, der den Gottesraum zu einem einzigartigen Ort des Gebetes macht.
Seit dem 9. Jahrhundert ist Kirchweih - auch Kirmes, Kerwa oder Kirta genannt - zudem ein weltliches Fest. Der Obrigkeit von Kirche und Staat missfielen im Laufe der Zeit jedoch die Auswüchse der vor allem auf dem Land sehr deftig gefeierten Kirchweihfeste, zu denen selbst Wirtshausraufereien gehörten. So entstand die einheitliche
Kirchweih, auch Allerwelts-Kirta genannt, am jeweils dritten Sonntag im Oktober. Neben dem Gottesdienstbesuch gehören üppiges Essen, Tanz und Spielen der Kinder noch heute zu Kirchweih. Nur noch selten hängt dagegen an Kirchweih der „Zachäus“, eine Fahne in den Farben weiß und rot, vom Kirchturm. Sie ist nach dem kleingewachsenen jüdischen
Zöllner Zachäus benannt, der in Jericho eigens auf einen Baum gestiegen sein soll, um Jesus besser sehen zu können.
12.10.05, Uli Piehler
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